Ich wollte nur eine Gute-Nacht-Geschichte, aber dieses Buch hat mich tatsächlich umgehauen…
Der Speicher meines Handys ist komplett voll. Ich muss Platz schaffen und entscheide mich dazu, ein Hörbuch, das ich schon seit einiger Zeit in digitaler Form mit mir herum trage, endlich mal anzuhören.
Das Titelbild ist nicht besonders vielversprechend, (ich bin ein sehr optischer Mensch) aber der Titel war gut genug, um ihm eine Chance zu geben:
Oma Hilde, Sokrates und der Dalai Lama – Was wir von weisen Menschen lernen können*
Eigentlich will ich schlafen und dieses Buch als Gute-Nacht-Geschichte nutzen, aber das sollte sich als unmöglich herausstellen.
Nach einer kurzen Einleitung bin ich so überrascht und gefesselt von dem, was Kristin Raabe mir zu sagen hat, dass ich hellwach im Bett liege und mir Notizen mache. Einige Stellen höre ich dabei mehrmals an, um nichts zu verpassen. Zum Glück (für meinen Schlafrhythmus) ist das Buch nicht viel länger als eine Stunde.
Ich bin so fasziniert von den Erkenntnissen, die die Autorin mit mir teilt, dass ich beschließe, meine erste Buchvorstellung genau über dieses Buch zu schreiben.
Und hier ist sie. 😉
Wer ist Oma Hilde?
Kristin Raabe hatte eine wunderbare Oma. Ich glaube, die meisten von uns können bestätigen, dass Omas einfach unendlich schlaue Ratschläge geben können. Auch wenn sie nicht die Möglichkeit hatten, sich so zu bilden, wie wir es in der Schule erfahren haben.
Unsere Omas (und natürlich auch Opas!) haben einfach wahnsinnig viel erlebt, viele Entscheidungen getroffen und sind durch Zeiten gegangen, deren Schwierigkeitsgrad wir zum Glück nur noch sehr schwer nachempfinden können.
Was mir imponiert, sind Sätze wie:
Oma Hilde war, auf eine ruhige Art, immer gut gelaunt. Sie zu ärgern, wäre uns Kindern im Traum nicht eingefallen. Sie konnte auch jeden Streit schlichten, ohne dass einer von uns das Gefühl hatte, eine Niederlage eingesteckt zu haben.
Denn Oma Hilde beherrschte die großartige Kunst, jeden Menschen, auch uns Kinder, absolut ernst zu nehmen.
Oma Hilde war eine Frau, die lediglich dazu ausgebildet wurde, eine gute Ehefrau für einen erfolgreichen Mann zu werden. Sie musste zum ersten Mal selbstständige Entscheidungen treffen, als sie mit 5 Kindern alleine auf der Straße stand, weil ihr Mann in Kriegsgefangenschaft war und ihr Haus beschlagnahmt wurde.
Dennoch konnte sie jeden einzelnen Baum benennen, wusste immer einen sinnvollen Rat und löste sämtliche Kreuzworträtsel komplett.
Am liebsten löste sie die „Um die Ecke gedacht“-Rätsel.
Was ist zum Beispiel – Spartenfernsehn für Jackenschneider – ?
Oma Hilde wusste es. Wenn du nicht darauf kommst, lohnt sich also ein Blick in das Buch bereits! 😉
Viel Wissen oder weise sein?
Spezialisten, wie Biologen, kümmern sich um ein einziges, kleines Gebiet und erforschen es, soweit es möglich sein kann, um neue Erkenntnisse über ein ganz spezielles Feld zu gewinnen. Nichts ist daran falsch. Allerdings ist das nicht der Weg zur Weisheit.
Weisheit bedeutet viel mehr die Zusammenhänge aller Gebiete, Gegebenheiten und Geschehnisse zu verstehen.
Absolute Weisheit kann also niemals erreicht werden.
Heraklit, der um 500 vor Christus lebte, wusste: Alles fließt.
„Das Wasser eines Flusses, in dem man steht, ist niemals das Selbe.“ Für ihn war das Gegenteil der Weisheit die „Vielwisserei“, denn sie lehrt nicht das wahre Verstehen.
Wissen kann definiert und gespeichert werden. Weisheit existiert nicht außerhalb des jeweiligen Menschen.
Weisheit und die Religionen
Ein Punkt, der mich ganz besonders fasziniert hat, ist der Umgang der als weise geltenden Menschen, von Sokrates bis Albert Einstein, mit der jeweils in ihrem Umfeld herrschenden Religion.
Bitte verstehe mich nicht falsch: ich will damit nicht sagen, dass Religionen grundsätzlich falsch sind! Ich finde viel mehr, dass jeder Mensch eben GLAUBEN sollte, was ER für richtig und gut hält. Dass man sich da nicht zwangsläufig dem Gegebenen unterordnen sollte. Wenn dir dein Glaube Kraft gibt, dann glaube.
Glaube ist Privatsache und nicht erklärlich. Allerdings muss der Glaube, meiner Meinung nach, immer dort enden, wo die Freiheit eines Anderen angegriffen wird. Anderen Menschen den eigenen Glauben aufdrängen zu wollen, geht gar nicht und so will ich auch dir nicht aufdrängen, was ich glaube.
Fasziniert hat mich, dass, laut der Autorin, all die weisen Menschen nicht an die personifizierten Götter der Religionen ihres Umfeldes glaubten. Sehr wohl glaubten sie aber an eine höhere Macht und das ist ein Schluss, auf den ich selbst auch für mich gekommen bin.
Diese übermenschliche, bestimmende Macht ist für sie, sowie für mich, die Natur selbst.
Wenn man sich die Frage nach dem Unerklärlichen stellt, etwa „Was ist der Sinn des Lebens?“ oder „Wer hat das Leben gemacht?“ läuft es für mich immer wieder auf die Natur heraus. Sie ist mächtiger als der Mensch, auch wenn der Mensch das gerne übersehen will.
Die Natur begründet sich selbst. Sie strebt, wie alles Leben, nach dem besten Sein, das mit den gegebenen Möglichkeiten erreichbar ist. Eine Pflanze wächst immer zum Licht, weil sie es braucht um zu wachsen. Selbsterklärend auf dem Weg zu wahrer Größe. Wir sind ein Teil der Natur, sie steckt in jedem von uns.
Was ist denn nun Weisheit?
Machen wir es wie Oma Hilde und hören den Kindern zu. Was sagen sie über Weisheit?
Wenn man Kinder fragt, wer weise ist, kommen häufig Antworten wie: Weise sind freundlich, klug und hilfsbereit.
Eine Gemeinsamkeit, die sich in nahezu allen Lehren der Weisheit wiederfindet und vom Philosophen Immanuel Kant hervor gehoben wurde, ist sinngemäß:
„Was du dir selbst nicht wünscht, das füge auch keinem Anderen zu.“
Diese Moral findet man auch in allen großen Religionen als Grundsatz wieder, auch wenn nicht jeder gläubige Mensch danach handelt. Die strikte Befolgung dieses Grundsatzes ist in vielen Fällen das, was wir an weisen Menschen, wie etwa Gandhi, bewundern.
Wenn einer mit Vergnügen zu einer Musik in Reih und Glied marschieren kann, dann verachte ich ihn schon […] Heldentum auf Kommando, sinnlose Gewalttat und die leidige Vaterländerei – wie glühend hasse ich sie, wie gemein und verächtlich erscheint mir der Krieg; ich möchte mich lieber in Stücke schlagen lassen, als mich an einem so elenden Tun beteiligen! Töten im Krieg ist nach meiner Auffassung um nichts besser als gewöhnlicher Mord.
Heißt das, Weisheit bedeutet Streben nach Gerechtigkeit und Hilfsbereitschaft?
– Ja, aber nicht nur das.
Neben freundlich und hilfsbereit müssen weise Menschen, nach Ansicht der Kinder, ja auch klug sein. Das ist aber gar nicht so leicht zu definieren.
Das Ziel der Weisheit ist es nicht, Wissen zu erwerben, sondern sich als Mensch weiter zu entwickeln. Sie zeigt sich in den Entscheidungen und Handlungen einer Person.
Die Fähigkeit Gefühle, Logik und Intuition gleichermaßen für diese Entscheidungen zu nutzen, gilt als die Grundlage der Weisheit.
Aussagen: Alle Lebewesen brauchen Wasser. Alle Rosen brauchen Wasser.
Schluss: Alle Rosen sind Lebewesen.
Geht dieser Schluss aus der Aussage richtig hervor?
Ca. 70% der Befragten beantworten diese Frage, laut Kristin Raabe, mit Ja. Warum das falsch ist, kannst du im Buch nachlesen.
Auch fällt auf, dass weise Menschen meist sehr bescheiden sind. Sokrates wusste, dass er nichts wusste. Einstein konnte seine Fehler zugeben und widerrief seine Thesen dann. Er sagte auch: „Ich habe mein Leben lang versucht, einen Gedanken zu Ende zu denken. Das ist mir nie gelungen.“
Ganz klare Leseempfehlung!
Das Buch ist, meiner Meinung nach, eine sehr knackige, unterhaltsame Bereicherung des eigenen Denkens und ich kann es wirklich gutem Gewissens empfehlen! Es bietet mir auch eine sehr angenehme Abwechslung zu den häufig ähnlichen Büchern über Persönlichkeitsentwicklung.
Die genannten Aspekte waren nur einige, wenige, die Kristin Raabe in dem Buch auf den Punkt bringt. Sie bespricht außerdem unter Anderem:
- was Achtsamkeit mit Weisheit zu tun hat
- was Aristoteles dir über das Erreichen des vollkommenen Glücks beibringen kann (Tipp: Es ist jedem Menschen möglich!)
- warum Wohlstand nichts zum tatsächlichen Glück beiträgt
- wann wir Weisheit tatsächlich anwenden, erlangen können und wie man sie messen kann
Wenn du herausfinden willst, warum wir noch heute Sokrates als einen der weisesten Menschen kennen und um seine Erkenntnisse über Menschenkenntnis, Ethik und Weltverstehen wissen, obwohl er nichts davon jemals schriftlich festgehalten hat und letztendlich wegen seiner auffordernden Art zum Tode verurteilt wurde, lohnt sich das Buch definitiv.
Sokrates wusste, dass er der Weiseste war, obwohl er wusste, dass er nicht alles wusste. 😉
Konntest du etwas mitnehmen? Gefallen dir solche Buchvorstellungen?
Lass mir deine Meinung in den Kommentaren da! 🙂
Hallo Ronja,
Hört sich interessant an. Ist wahrscheinlich mal eine lockere Abwechslung zu der sonstigen Fachliteratur. Ich packs auf meine 5-Seitige Literatur Liste?
Oma Hilde finde ich grandios 😀
Hey Denise,
Nur 5 Seiten? Na dann wirst du es sicher bald lesen! 😀
Oma Hilde war bestimmt super! 🙂
Liebe Grüße 🙂
Hallo Ronja, klingt sehr spannend – ich habe das selbe Problem wie Denise … aber, wer weiß!
Beste Grüße
Birgit
Hey Birgit,
ich bin ja auch deshalb ein großer Fan von Hörbüchern, weil man sie auch unterwegs oder während anderen Dingen hören kann! 😀
Liebe Grüße,
Ronja
Ein guter Tipp!
Ruhig mehr davon.
Dein Schreibstil gefällt mir sehr gut, du hast in jedem Fall gefunden was du kannst. 🙂
Tiffy
Hey Tiffi,
vielen Dank! <3
Liebe Grüße,
Ronja